Von iOS auf Android umsteigen, ein Erfahrungsbericht (letzter Teil)

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Vor mehreren Monaten schrieben mir diverse Personen, dass sie meine iOS-Android-Umstiegsreihe toll finden und sich auf den fünften Teil freuen. Hier ist er, aber ihr werdet keine Freude daran haben.

1. Warum, Hardware und was es unter iOS nicht gibt
2. iOS-Apps und ihre besten Android-Pendants
3. Notifications, Unterschiede zu iOS
4. Was an Android nervt
5. Letzter Teil

Nach gut einem Jahr Android und Nexus 4 benutze ich wieder mein altes iPhone 4S mit iOS 7. Wie kommt es dazu? War ich anfangs nicht so begeistert von Android?

Hardware

Ich fange mit der Hardware an: Das Nexus 4 ist mir zu groß. Egal, wie ich es hielt, mit einer Hand konnte ich es nicht richtig bedienen. Dabei geht es nicht unbedingt um die Höhe, sondern die Breite. Ich wünschte mir ein schmaleres Telefon, »so iPhone5-Format, das ist perfekt«. Dummerweise scheinen sich alle Hardwarehersteller aber mit Größenangaben überbieten zu wollen, jedenfalls fand ich auch nach einigem Suchen kein Telefon, das mit der qualitativen Anmutung des iPhone 5 mithalten konnte und dann auch noch die entsprechenden Abmessungen hatte, die meine Hand als vorteilhaft erachtete.

Das Nexus 4 ist etwas zu breit.

Das Nexus 4 ist etwas zu breit, um es einhändig gut bedienen zu können.

Das Nexus 4 ist ein hervorragendes Gerät für diesen Preis. Das war von Anfang an klar und das hat sich in dem Jahr auch durchaus bestätigt. Was mir erst jetzt klar ist: Ich will nicht das beste Gerät in dieser Preisklasse, ich will das beste Gerät.
Die Kamera ist eher naja, der Lautsprecher ist kacke und dazu noch an der Unterseite angebracht, alles Punkte, die mich wirklich nervten.

Geschwindigkeit

Als ich das erste offizielle stabile Release von iOS 7 auf dem iPhone 4S ausprobierte, war ich beeindruckt, wie schnell und flüssig alles ablief. Im direkten Vergleich mit dem Nexus 4 wirkt es schneller. Das ist schon mal bemerkenswert, weil das Nexus 4 ein gutes Jahr jünger und hardwaretechnisch deutlich besser ausgestattet ist (bis auf, wie gesagt, die Kamera und den Lautsprecher).

Warum fühlt sich iOS also trotz langsamerer Hardware schneller an? Ich konnnte mir das auch nicht erklären, aber eine kurze Google-Suche ergab hier, hier und hier ein paar Antworten.

Features

Als ich vor einem Jahr das Nexus 4 kaufte, war ich so gespannt auf die ganzen Features der Android-Hardware, die das iPhone nicht hat. Hier zeige ich euch, was daraus geworden ist:

Aufladen per Induktion

Nie gemacht. Irgendwie habe ich auch nie mitbekommen, dass hier Induktionsladegeräte verkauft wurden. Ich habe jedenfalls noch nie eins mit eigenen Augen gesehen.

NFC und Android Beam

Benutzte ich während meiner Androidzeit ca. zehn mal. Es ist auch wirklich praktisch, abgesehen davon, dass man aussieht wie ein Idiot und ständig Angst hat, dass das Telefon auf den Beton fällt, weil man es mit spitzen Fingern an ein anderes Telefon halten muss. Sowas wünsche ich mir für jedes Smartphone, nur ohne dass man die Geräte zusammenhalten muss.

NFC-Tags

Oh boy, wie war ich scharf darauf. Was ist daraus geworden? Ich habe es nach der anfänglichen begeisterten Testzeit nie benutzt. Mir sind zu wenige Einsatzmöglichkeiten eingefallen, außer automatisch bei Foursquare einchecken gab es nicht viel mehr, was ich cool fand.

Die Funktionen als root

Ja, in Android ist deutlich mehr möglich als unter iOS. Dazu gehört zum Beispiel, dass man sich (bei gerootetem Gerät) die WiFi-Passwörter der Netze, mit denen man einmal verbunden war, anzeigen lassen kann. Habe ich in dem Jahr genau einmal gebraucht.

Mir wurde auch klar, dass die meisten Statistikfunktionen wie zum Beispiel die genaue Anzeige des Akkuverbrauchs von einzelnen Apps gar nicht so von Vorteil für mich sind, wie ich dachte. Ich zerbrach mir eher den Kopf darüber, diesen Stromverbrauch zu senken, als die Apps zu benutzen. Und damit machte ich mir mehr Gedanken über das System als über den Inhalt – fatal.

Die Notification-LED

Es gibt massenhaft Software, mit der man sich diese LED so konfigurieren kann, dass man vermutlich am ersten Blick erkennen könnte, welches Programm da welche Notification abgeliefert hat. Wo genau war eigentlich das Problem, kurz den Screen anzumachen und nachzusehen? Ich fand während meiner Android-Zeit keinen großen nutzen für diese LED. Und man kann mir nicht vorwerfen, dass ich es nicht versucht hätte. Nächtelang habe ich dagesessen und mit Lightflow jedem Programm eine genaue Farbe, ein Blinkmuster und wasweissich noch alles zugewiesen. Leider hatte ich das nach ein paar Tagen alles schon wieder vergessen, so dass ich mich ständig fragen musste, »ist rot jetzt Twitter oder WhatsApp?«

Wofür stand blau nochmal?

Wofür stand blau nochmal?

Darüberhinaus hatte ich mit dem Nexus 4 ständig das Gefühl, irgendwas verpasst zu haben. Twitter-Mentions, Nachrichten, Mails; aus irgendeinem Grund bin ich diesen Notification-Workflow gewohnt: Kurz das Display anschalten, kurz checken und dann wieder ausschalten. Das hab ich unter Android nicht so einfach hinbekommen – ich hab beim Schalter oft danebengegriffen und dann musste ich auch noch die Notification-Bar runterziehen – ein Schritt zuviel.

Lockscreen Notifications.

Lockscreen Notifications.

System und Apps

Kommen wir zum Kern meiner Kritik – die Apps. Apps sind das, was ein Smartphone auszeichnet. Und 99% aller Apps sind unter iOS besser.
Es ist 2013 – wieso sehen die meisten Android-Apps im Vergleich zu ihren iOS-Schwestern immer noch so verdammt blass aus?
Bei vielen iOS-Apps wird poliert bis der Arzt kommt, da wird an den kleinsten Animationen gefeilt, da muss jeder Pixel sitzen, bevor es in den Appstore geht.
Unter Android hatte ich immer das Gefühl, dass die Designer und Entwickler nicht ganz so viel Enthusiasmus in ihr Produkt steckten. Wir reden hier von den gleichen Apps: Google selbst mit seiner GMail-App – unter iOS supersmooth, bei Android hakt und flickert es selbst auf den schnellsten Geräten.

Generell ist es auch immer noch so, dass ALLE guten Apps zuerst für iOS erscheinen und nach ein paar Monaten dann auch für Android, aber shitty. Wenn man ganz großes Glück hatte, kam es zeitgleich raus. Aber könnt ihr euch an eine App erinnern, die zuerst für Android erschien? (Facebook Home zählt nicht)

Es gibt zum Beispiel auch keinen Twitterclient für Android, der wirklich mit Tweetbot mithalten kann. Ich habe mindestens zwanzig von ihnen ausprobiert, einige sogar gekauft, damit ich die ätzende Werbung loswerde, aber zum Schluss war ich genervt, entkräftet und musste die offizielle Twitter-App benutzen.

Warum ich wieder auf iOS umstieg

Irgendwann erwischte ich mich dabei, wie ich in Kommentarfelder »Und was ist mit Android?« eintrug. Da wusste ich, dass es fast zu spät ist. Ich wollte nie einer von diesen grumpy Android-Jüngern werden, aber jetzt verstehe ich ihre Verbitterung.

Das alles wird sich in naher Zukunft auch nicht ändern. Die wegweisenden Apps werden immer noch zuerst für iOS erscheinen, und die Android-Welt vertreibt sich die Wartezeit damit, Benchmarks ihrer Telefone zu vergleichen.

Ich möchte jedenfalls wieder dort dabeisein, wo experimentiert wird, wo es Apps wie Timehop, Day One, Tweetbot und Placescore gibt.

Natürlich habe ich unter Android auch einiges gesehen, was ich unter iOS sehr vermissen werde. Custom Keyboards. Sharing aus jeder App in jede andere App. Und vor allem: Eigene Default-Apps festlegen.

Mittlerweile fühlt es sich gar nicht mehr so seltsam an. Es ist ein bisschen wie nach einer langen Reise nach Hause zu kommen – man weiß, wo alles ist, es ist warm, gemütlich und alle seine Freunde sind auch da.

6 Kommentare

  1. Pingback: Von iOS auf Android umsteigen, ein Erfahrungsbericht (Teil 2) | Carsten Wolfram

  2. Pingback: Von iOS auf Android umsteigen, ein Erfahrungsbericht (Teil 1) | Carsten Wolfram

  3. Interessante Einblicke in dein Nutzungsverhalten, deine Gewohnheiten und deine Entscheidungsgrundlagen. Danke fürs Teilen.

  4. Sehe das genauso wie du. Allerdings kommt das immer auf die Nutzung an. Für denjenigen, der sein Handy 2x am Tag benutzt um per Whatsapp zu schreiben „Bin in 30 Min zuhause“ reicht auch irgendein 100-200 Euro Handy, und in dem Preisbereich gibt es nunmal kein iPhone.

    Ansonsten… iOS/das iPhone hat noch genügend Baustellen, da könnte ich auch seitenweise drüber schreiben, aber im großen und ganzen ist es deutlich besser als Android.

  5. Toller Bericht. Kann mich in dem Bericht genau wiederfinden. Du hast mir die Worte aus dem Mund genommen.

    Bekomme hin und wieder Android Geräte zugeschickt, benutze sie dann 2 Wochen, erfreue mich an den Features & schreibe ein paar nette Worte drüber aber bin anschließend froh wieder auf mein iPhone umzusteigen.

  6. @Hendrik:
    Eher andersherum, Leuten, die nur Whatsapp benutzen, reicht auch ios. Wer mit seinem Handy auch etwas bestimmtere Sachen machen will, kommt mit Ios nicht weiter. Android ist zwar auch unglaublich scheiße gegenüber einem richtigen Betriebssystem, aber nicht ganz so schlimm wie Ios:

    -Eigene Tastaturen installieren: ich habe z.b. eine IPA-Tastatur drauf.
    -Netzwerkverbindungen eines NFS-Servers direkt mounten, so dass man sich z.b. die Fotosammlung vom NAS direkt auf dem Tablet anschauen kann.
    -Per FTP auf das Handy zugreifen und alle Dateien herunterladen und verändern.
    -und das allerwichtigste: Eigene Programme installieren können, ohne irgendeinen Market (!). Man muss sich das man vorstellen, dass das am PC völlig normal ist, bei Ios aber völlig unmöglich.

    Ios mag ja schön gut durchdacht sein, was ich auch nicht bezweifel. Allerdings disqualifiziert die „Apple weiß besser als ich, was ich mit meimem Handy machen will“-Mentalität Ios komplett.

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